Mal was zu den Systemen. Ich spiele und leite im Moment D&D 5e, Conan (2D20 von Modiphius), Pathfinder 1 und Call of Cthulhu. Ich spiele Blades in the Dark, Scum & Villainy (beide effektiv das gleiche System) und Vampire. Und habe in der Vergangenheit noch einen Haufen mehr geleitet und gespielt. Rolemaster, DSA in allen Editionen, Werewolf, Fate, Hârnmaster, Dungeonworld und und und.
Manche Systeme versuchen sich an Realismus, manche sind absichtlich abstrakt. Meine persönliche Erfahrung ist, dass komplexere Systeme nicht unbedingt mehr Spaß machen. Bzw die machen nur dann Spaß, wenn jeder diese Komplexität auch mag und nutzt. Ich persönlich liebe zum Beispiel Rolemaster, aber wenn ich den Spielern beim Steigern und Würfeln beiseite stehen muss, dann ist das wohl einfahc das falsche System für die Runde. Fate im Gegensatz dazu ist unglaublich einfach, war mir aber immer zu abstrakt. Charaktere sind in 2min gemacht, aber ich entwicklere keinen Bezug zu ihnen und bin genervt.
In letzter Zeit sind viele Systeme auf den Markt gekommen, die einfacher und abstrakter sind, bei denen die Einstiegshürde zum Loslegen dafür geringer ist. Und die meisten von ihnen gefallen mir viel besser als Fate. Blades in the Dark und Dungeonworld sind so Beispiele. Sowohl das Spiel, als auch die Charaktererschaffung, sind extremst einfach und schnell. Man braucht auch nur normale, 6-seitige Würfel, und kein spezielles Set. Trotzdem entwickelt sich aus einfachen Regeln genügend Komplexität, dass das auch länger als 2 oder 3 Sitzungen lang Spaß macht. Das finde ich gut und elegant und passt für mich besser in die kürzere Zeit, die ich zum Spielen habe. Mehr als 3-4 Stunden am Stück werden es im Moment halt nicht. Früher haben wir einfach ganze Wochenenden durchgezockt.
Ich finde die Einstiegshürde bei Systemen, bei denen es ein "Baukastensystem" oder Point-Buy-System für die Charaktererschaffung gibt, etwas zu hoch. DSA, Shadowrun, Earthdawn und so weiter wirken da für mich etwas aus der Zeit gefallen. Ich bin nicht zu blöd dafür, aber ich finde keine 4-5 Mitspieler, die dringend erstmal mehrere Stunden an ihren Charakteren basteln wollen. Und ich kann mit meiner Zeit eigentlich auch was Besser anfangen. Aber - das sind allesamt Liebhabersysteme mit einer treuen Fangemeinde. Man muss mehr Zeit investieren. Und man braucht eher eine feste Gruppe, mit der man sich regelmäßig, oder zumindest mehrmals trifft. Aber das ist ja vielleicht genau das, was Du willst.
D&D 3, 3.5 und Pathfinder 1 sind keine Baukastensysteme, aber auch sehr komplex. Schon bei der Charaktererschaffung erschlagen einen die Möglichkeiten. Ich habe eine Gruppe, mit der wir Pathfinder spielen, und bei der alle diese Komplexität mögen. Aber wenn mal was dazwischenkommt und der GM kurzfristig absagen muss, kann man schlecht sagen: "Kein Problem, ich meistere uns ein Oneshot, macht Euch schnell Charaktere und los geht's!"
Das funktioniert nicht, denn in weniger als 1h einen Charakter zu bauen ist nicht drin. Und der ist dann wahrscheinlich... suboptimal oder nicht ganz regelkonform. Die (kompletten) Regeln gibt es kostenlos im Netz. Hier zum Beispiel: https://www.d20pfsrd.com/ - aber ich würde auch Pathfinder 1 eher als "Liebhabersystem" bezeichnen, denn als einen guten Einstieg.
Wir ignorieren mal D&D 4 (das gab es nicht - frag nicht danach). Bei D&D 5e wurden die Einstiegshürden massiv gesenkt. Charaktere sind sehr schnell gebaut. Die entwickeln sich erst noch und haben am Anfang nur wenige Tricks parat. Das Spiel ist relativ einfach. Wenn man was macht, würfelt man einen W20. Höher ist immer besser. Das lässt sich gut und schnell erklären. Realistisch ist da gar nichts. Die Settings sind allesamt extrem käsig und super high Fantasy und machen nicht viel Sinn. DIe Charaktere fangen klein an und werden sehr schnell sehr mächtig. Das ist aber bei Pathfinder, und anderen Systemen aus dieser Ecke nicht anders. Wenn man noch schneller starten will, dann gibt es bergeweise vorgefertigte Charaktere im Netz, hier zum Beispiel: https://dnd.wizards.com/charactersheets - wer schnell einsteigen will, wird da fündig. Das System eignet sich auch gut für Oneshots und spontane Runden.
Allen diesen bisher genannten Systemen ist gemein, dass man "Helden" spielt. Die Charaktere sind extrem kompetent oder werden es sehr schnell. Weder bei DSA, noch bei D&D, PF oder Earthdawn wird einem gestandenen Recken ein Bauer mit einem rostigen Messer in der Hand ernsthaft gefährlich. Auch nicht, wenn er 5 Freunde mitbringt.
Es gibt noch so Systeme, die sich um (fast schon unangenehmen) Realismus bemühen. Hârnmaster zum Beispiel. Da spielt man "normale" Menschen in einer mittelalterlichen Gesellschaft, die in eher ungewöhnliche Situationen gestoßen werden. Da ist man sehr fragil. Und auch bei Systemen wie Rolemaster zuckt man jedesmal zusammen, wenn
eine Ratte nach dem Helden schnappt, denn es besteht die (wenn auch sehr geringe )
Chance, dass einen das Umbringt oder die Achillessehne durchtrennt wird
oder was weiß ich. Wenn Du mit Deinem Junior spielen willst, ist so etwas wahrscheinlich nicht der ideale Einstieg.
Dann gibt es noch die Systeme, die eher aus der Ecke der Erzählspiele kommen. Vampire, Werewolf und Artverwandte gehört dazu, aber auch Sachen wie Tremulus und Fate. Das hatte ursprünglich viel von Schauspielerei am Tisch, und geht für manche Leute fast schon Richtung Live-Rollenspiel. Man kann das aber auch deutlich bodenständiger spielen. Da wird zumindest oft erwartet, dass die Spieler direkt oder indirekt stark an der Story mitwirken. Das kann viel Spaß machen, ist aber sicher nicht jedermanns Sache.
Call of Cthulhu ist noch zu erwähnen. Ein altes und sehr beliebtes System. Leicht zu verstehen - man hat (quasi) Prozentwerte und würfelt mit einem W100 drauf. Das kapiert eigentlich jeder sehr schnell und kann sich unter einem Wert von 70 gut was vorstellen. Das heißt einfach, dass man eine normal schwere Probe in diesem Bereich mit einer 70%igen Chance im ersten Anlauf meistert. Da sind die Boni von D&D und die Talende in DSA deutlich weniger offensichtlich. Man spielt meistens in den 1920ern und ist übernatürlichen Phänomenen auf der Spur. Akte-X von vor 100 Jahren sozusagen. Das kann auch sehr reizvoll sein, aber je nachdem wie man spielt ist es mehr Detektivstory oder mehr Horror. Fürs Spiel mit Kindern würde ich logischerweise hart weg vom Horro steuern.